Unibibliothek in der Alten Aktienspinnerei

Die Aktienspinnerei entstand um 1858 infolge der Gründung einer Aktiengesellschaft als damals größte Spinnerei Sachsens mit 60.000 Spindeln. Der Spinnereibetrieb endete 1914. Bereits 1905 ging das Areal in das Eigentum der Stadt über. Im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer zerstört und verlor sein Dach und das oberste Geschoss. In der Folge wurde das Gebäude auch als Essenausgabe, Provisorium für das Opernhaus, Kaufhaus, Stadtbücherei, Büro und Puppentheater und zuletzt als Galerie genutzt.

Seit 2012 ist das Gebäude im Eigentum des Freistaates Sachsen. Im Jahr 2015 starteten umfassende Sanierungs- und Umbauarbeiten, welche im Jahr 2020 erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Im selben Jahr wurde das Gebäude an die Technische Universität Chemnitz übergeben, welche im Oktober 2020 die neue Zentralbibliothek der Universität in diesem beeindruckenden Bau eröffnete.

Ein Blick in die Bibliothek lohnt sich und ist ohne weiteres möglich. Schauen Sie sich doch einmal um.

 

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Als 1852 der Chemnitzer Hauptbahnhof eingeweiht wurde, begann schnell ein Run auf in der Nähe liegende Flächen. Eines der ersten Unternehmen, das hierhin zog, war die „Actien-Spinnerei AG“. Am 30. März 1857 wurde sie konstituiert und galt als bedeutendste Aktiengesellschaft in Sachsen: Leipziger und Berliner Banken beteiligten sich mit einer Million Taler an der Gesellschaft. Ihr Betriebsgebäude errichtete die AG unweit der Innenstadt am Nordrand des Schillerplatzes (der seinen Namen 1859 anlässlich des 100. Geburtstages des Dichters erhalten hatte) – es war ein eher schmuckloses Gebäude aus Stahl und Beton. Doch die „inneren Werte“ waren das, was zählte: Um die 60.000 Spindeln drehten sich hier, um aus Baumwolle Garne herzustellen. 972.000 Pfund Garn wurden hier anfangs pro Jahr produziert – bei einem Preis von 120 Pfennig pro Pfund ein beträchtlicher Umsatz. Bis 1867 konnte die Produktion bei gleicher Spindelzahl gar auf 1,6 Millionen Pfund erhöht werden. Nur der amerikanische Bürgerkrieg sorgte zwischenzeitlich für Einbußen – da wurde die Baumwolle knapp.

Was sich anfangs als Vorteil erwiesen hatte – die Nähe zum Stadtzentrum und zum Hauptbahnhof – blieb es für die „Actien-Spinnerei“ nicht lang: Nachdem in den 1880er Jahren die alten Spinnmaschinen durch neue englische ersetzt worden waren, stieg die Produktionsmenge erheblich an – so sehr, dass der hier vorhandene Raum nicht mehr reichte. Expansionsflächen in unmittelbarer Nähe standen wegen der inzwischen dichten Wohnbebauung nicht mehr zur Verfügung und auch die Holzbrücken zum Bahnhof waren nicht mehr zweckdienlich. Schritt für Schritt zog das Unternehmen deshalb ab 1895 auf ein neues Grundstück mit Bahnanschluss in Altchemnitz um. Dort gelang der Gesellschaft der Schritt zur damals sowohl nach Spindelzahl wie auch nach produzierten Pfund größten deutschen Spinnerei. Den leergezogenen Bau am Schillerplatz erwarb 1899 die Stadt Chemnitz, die ihn an andere Unternehmen weitervermietete. Ab 1933 diente das Gebäude zunächst zur Unterbringung von Schutzpolizei- und Feldjägereinheiten, später von Zwangsarbeitern.

Ab 1945 erfolgte eine völlig neue Nutzung – erst einmal als Warenhaus der Handelsorganisation HO und ab 1953 der Wismut AG. Auch Kulturveranstaltungen fanden hier statt, ab Mitte der 1950er Jahre wurde hier zudem die Stadtbibliothek untergebracht. Der davor liegende Schillerplatz wurde zum Zentralen Omnibusbahnhof umgebaut, sodass hier permanent Leben herrschte. Dies verstärkte sich in den 1990er Jahren zunächst, als die Neue Sächsische Galerie mit ins Gebäude zog. Doch 2004 siedelten sowohl Galerie als auch Stadtbibliothek ins Kulturkaufhaus DAStietz über – die Alte Aktienspinnerei wurde über ein Jahrzehnt nur noch temporär bespielt. 2011 kaufte der Freistaat Sachsen das Gebäude für einen Euro von der Stadt Chemnitz für den nunmehr vollendeten Bau der Zentralen Universitätsbibliothek der TU Chemnitz.

700 Männer und 300 Frauen arbeiteten 1883 in der Actien-Spinnerei. Als die Gewinne zurückgingen, stellte die Firmenleitung einen neuen technischen Direktor ein. Der wollte die Arbeitszeiten verlängern und die Arbeitsbelastung erhöhen – unter anderem verbot er den Angestellten, während der Pausenzeiten das Betriebsgelände zu verlassen. An dieser Regelung entzündete sich am 7. Juni 1883 ein Streik, der am 25. Juni wenig erfolgreich endete. Sprecherin der Arbeiterschaft war die 37-jährige Ernstine Minna Simon, die erst seit wenigen Wochen im Unternehmen arbeitete – die erste Frau in Deutschland, die einen großen Streik anführte. Nach ihr ist seit dem Jahr 2000 eine Straße in der Nähe benannt.